Einführende Worte von Walter Treiber
Als Hephaistos im Innern eines Vulkans die
Waffen und Rüstungen der Helden schmiedete, war er von der Außenwelt
ebenso abgeschieden wie die Textil- künstlerin Ursula Mehler, die nach
ihrer eigenen Aussage am liebsten nachts arbeitet und nächtens die
besten Ideen hat. Jetzt will ich Stefan Forler nicht mit Hephaistos
vergleichen, weiß aber von ihm, dass er fern von seinem Wohnort München,
nämlich in Landau, sein Feuer und seinen Amboss hat, und dass dort seine
Kunstwerke entstehen.
Sie sehen also, ich versuche krampfhaft, eine Seelenverwandtschaft der
Werke zweier Künstler zu beschreiben, deren gemeinsamer Ursprung
perfektes Handwerk ist. Handwerk das, so bravourös eingesetzt, die Basis
für ihre Kunst ist.
Der Ursprung der hier ausgestellten Arbeiten liegt, sowohl bei den
Quilts wie auch bei den Metallarbeiten, in Amerika. Zwar gibt es über
den Erdball verteilt Nachweise für frühe gepolsterte Textilarbeiten,
doch wurde, das klassische Patchwork und in dessen Folge die Quilts im
18. Jahrhundert von Einwanderern in den USA entwickelt Aus anfänglicher
Resteverwertung zu Gebrauchsgegenstän- den, entstanden, mit zunehmendem
Wohlstand, künstlerische Arbeiten.
Metallarbeiten in völlig freier Form waren erstmals ab 1960 in den USA
entstan- den, damals als Antwort auf die verkrustete Situation der
europäischen Vorbilder. Minimierung, Reduktion aber auch Monumentalität
wurden schnell zum Innbegriff für diese Arbeiten, und es waren
erstaunlicherweise sehr viele Maler, die sich damals dieser Art von
Bildhauerei widmeten.
Stefan Forler hat Kunstschmied gelernt, danach die Meisterprüfung
gemacht und schon 1967 begonnen, künstlerisch zu arbeiten. Seine
Lehrtätigkeit an der Meisterschule für Metalltechnik in München, die er
seit 1972 ausübte, war die ideale Ausgangsbasis um seine Kunstbegabung
in Landau weiter zu entwickeln, denn dort konnte er in der verwaisten
Werkstatt seines Vaters, vor allem während der Ferien, ungestört
arbeiten. Zwar erscheint die Entfernung München - Landau zunächst als
Hemmschuh, doch weit weg vom üblichen Alltag konnte er hier völlig frei
arbeiten - und damit haben wir eine Erklärung für die Linie und Spur in
seinem umfangreichen Werk. Seine zahlreichen Ausstellungen in den
unterschiedlichsten Galerien, Verbänden und Gemeinden, der Ankauf seiner
Werke durch öffentliche Hände im In- und Ausland, sind Beweis für die
Anerkennung seiner Kunst. Betrachten Sie einmal seinen Riesenfisch auf
dem Fischmarkt in Speyer.
Ursula Mehlers Weg zur Kunst begann vor etwa 30 Jahren und gewann
relativ schnell an Heftigkeit. Dass der freudige Umgang mit Nadel und
Faden und vor allem mit Stoffen die Voraussetzung dafür waren, erklärt
sich von selbst. So hat sie sich im Laufe der Jahre zu einer Quilterin
entwickelt, die das anfängliche Patchwork sehr schnell verlassen hat und
sich die unbegrenzten Möglichkeiten der Quiltgestaltung zu eigen machte.
Kurse und Lehrgänge bei den Bedeutend- sten dieser Szene, haben ihr das
Rüstzeug vermittelt, bei der künstlerischen Gestaltung von Quilts ihren
eigenen Weg zu gehen. Hierbei ist ihre Entwicklung sozusagen in
7-Meilen-Stiefeln fortgeschritten und ein Ende ist dabei nicht
abzusehen.
Eine Erklärung und Suche nach dem Wieso, ist bei ihr nur mit
Leidenschaft zu erklären. Sie denkt in Stoffen und in Quilts. Kein Stück
Stoff ist vor ihr sicher, auch nicht hier, meine Damen und Herren. Ich
bin davon überzeugt, dass manche Bluse, manches Hemd, manche Krawatte,
die sich hier im Raum befinden, von Ursula Mehler in Gedanken schon in
einem Quilt verarbeitet sind. Sie sprüht vor Kreativität, und das ist
ihre Stärke. Zahlreiche Ausstellungsbeteiligungen im In- und Ausland,
die allesamt nur durch jurierte Bewerbungen möglich wurden, sind das
Resultat ihrer Leidenschaft, der Ankauf von Arbeiten ebenfalls ein
sichtbarer Ausdruck für die Qualität und Wertschätzung ihrer Arbeiten.
Bei Stefan Forler liegt die
Kompliziertheit des Unterfangens in der bewusst dargestellten
Einfachheit der handwerklichen Ausführung. Für ihn ist die Frage
wichtig, wie ein bewusst verformter Gegenstand - also meist Eisen oder
Stahl - der diese Form unter Zuhilfenahme von Feuer und menschlicher
Kraft erhält, ein anderes als ihm ursprünglich zugedachtes Verhältnis zu
seiner Umgebung, das heißt den Raum in dem es präsentiert wird, erhält.
Die Problematik besteht darin, dass dieses neue Verhältnis an
unterschiedlichen Aufstellungsorten immer wieder funktionieren muss.
Stefan Forler präsentiert uns hier 4
Gruppen:
- die zu bewegenden Teile im Eingangsbereich
- die Kreisgruppe hier im Zentrum
- die auf Sockeln gestützten Stäbe daneben
- und die kleinen Bronzen hier oben hinter mir, die, ganz bewusst
ohne Sockel, ebenfalls das Thema Kreis aufnehmen
Dazu kommt noch im Nebenraum ein
Solitär, der beweist, dass seine Arbeiten auch allein ihre Wirkung
erzielen.
Forlers Arbeiten behalten ihren Materialcharakter, obwohl sie von ihrer
ursprüng- lichen Form weit entfernt sind. Die Veränderung der Grundform
gelingt nur unter Zuhilfenahme von Feuer und menschlicher Kraft Dabei
zeigt sich, dass nach dem Erkalten des Materials, die aufgewandte Kraft
in dem nun zum Kunstwerk mu- tierten Werkstück weiter vorhanden und vom
Betrachter förmlich zu erspüren ist.
Wenn dann, wie hier, einige dieser kraftstrotzenden Objekte zu einem
Kreis aufgestellt sind, wird diese Kraft noch potenziert Das einzelne
Stück wird Teil eines Kraftrings, dessen Öffnung an der Seite uns
einlädt, diesen Kreis zu betreten, um so selbst ins Zentrum dieses
Kraftfeldes zu geraten. Kontrapostisch zu dieser Kraftdemonstration
verhalten sich die daneben, auf Sockeln angeordneten Stäbe, die zwar mit
den gleichen Mitteln ihre Formveränderung erfahren haben, in ihrer
Wirkung aber ganz anders sind:
Hier sind es Formen, die sich zu verflüchtigen scheinen, von ihrem
Zentrum aus es aber nicht können, sozusagen immer wieder zu diesem
Zentrum zurückkehren. Die hierbei beschriebenen Linien, Geraden,
Diagonalen usw. sind das Fliehmoment, dem aber abrupt Einhalt geboten
wird.
Wenn er vor einigen Jahren sagte, dass seine Idee, aus Handwerk Kunst zu
machen, aus der Situation des "Nicht Berühren Dürfens" in den heiligen
Hallen der Museen entstand, dann wissen wir, dass das Verändern der
ursprünglichen Standsituation ein Prozess ist, der ihm bei seiner Kunst
hilft. Und darum können sie an den im Eingangsbereich aufgestellten
Objekten nach Herzenslust drehen und dabei feststellen, dass dadurch der
Charakter der Objekte eine nicht vermutete Veränderung erfährt, Learning
by Doing sozusagen. Machen Sie davon Gebrauch.
Weniger zum Anfassen geeignet sind die Bronzen hinter mir, Sie müssten
sich dazu bücken und für Hexenschüsse übernimmt Frau Kehm keine
Verantwortung, nein genießen Sie es, diese ungewöhnlich
roh-belassen-wirkenden Bronzen von oben zu betrachten, ihre nicht
vorhandene Glätte ist überraschend, die Formen selbst rätselhaft und
mehrdeutig zugleich. Sprechen Sie mit diesem sensiblen Künstler, seine
Arbeiten sind spannend und verständnisoffen, eigentlich der Idealfall
von Kunst.
Bei Ursula Mehlers Quilts ist Berühren
nicht angesagt, obwohl die Verlockung dazu groß ist. Auch sie hat ihre
Arbeiten speziell für diese Räume ausgesucht, manche sogar extra dafür
geschaffen.
Quilts mit Malerei vergleichen zu
wollen geht schief. Der Ursprung des Quilts war ein Gebrauchsgegenstand
der als Schutz diente, Schutz vor Kälte, ja selbst Schutz vor Waffen
oder auch Polsterung unter einer Rüstung. Dass die Weichheit des
Materials dämpft, leuchtet ein. Es sind ja 3 Schichten, Unterschicht,
da- zwischen eine Wattierung die aus allerlei Material sein kann und
dann die Ober- schicht, die wir hier in der künstlerischen Form der
Art-Quilts erleben. Die 3 Schichten werden durch Nähte zusammengehalten:
dass diese Nähte im Laufe der Zeit ebenfalls Teil der künstlerischen
Gestaltung wurden, ist plausibel.
Ziel bei Quilts ist, die Stoffigkeit, die Weichheit des Materials nicht
zu verbergen, sondern eher zu betonen. Hieran erkennt man deutlich, dass
der Unterschied zur Malerei groß ist.
Dass der Gestaltungsspielraum unendlich
ist und der Fantasie keine Grenzen gesetzt sind wird Ihnen in dieser
fast retrospektiv angelegten Ausstellung deutlich. Was bei Forler die
Reduktion ist, mit der er künstlerische Werte erreicht, ist bei Ursula
Mehler die Vielfalt der Materialien und eingesetzten Techniken. Das
oberflächliche Schauen reicht nicht aus, um die vielen Arbeitsschritte,
die zahl- reich eingesetzten Materialien und deren kunstvolle
Verarbeitung zu erkennen. Man muss ganz nahe hin um alles zu erfahren.
Die Loslösung aus der traditionellen Quiltszene ist bei Ursula Mehler
Programm, freies Arbeiten bedeutet für sie unbegrenztes Ausprobieren und
Ausschöpfen aller Möglichkeiten.
Die Palette ihrer eingesetzten Stoffe und Materialien verlässt längst
den Rahmen vorhandener Produkte, indem sie Stoffe mit Eigenbemalungen,
Vielfältigen Färbungen oder Verfilzungen zunächst in komplizierten
Arbeitsgängen selbst herstellt. Diese neuen, nach ihrem Gustus
entstandenen Materialien sind wesentliche Merkmale ihrer Quilts, die sie
dann in komplizierten Arbeitsgängen zu den hier ausgestellten Werken
verarbeitet.
Konkretes und Abstraktes, Variationen klassischer Muster, Geschichten
Erzählen- des, und Zitate Verbildlichendes, sogar Politisches sind ihre
Themen. Innovation, Farbgefühl, Materialvielfalt und eine schier
unglaubliche Schaffenskraft sind ihr Geheimnis, das zu dieser
Riesenpalette führte, man darf gespannt sein über ihre weitere
Entwicklung. |
|
Um nun auch hier konkret zu werden, darf
ich Ihren Blick vielleicht auf die beiden Quilts im Zentrum dieses
Raumes lenken. Links eine Arbeit, die eigentlich ein Patchworkquilt ist,
eine frühe Arbeit, die diese unterschiedlichen Techniken vereint.
Verwirrung stifte ich bei Ihnen sicher wenn ich Ihnen sage, dass das
Thema des Patchworkgrundes nach dem Muster "Weg des Betrunkenen"
entstanden ist. Ich will Ihnen damit nur deutlich machen, dass die
Quiltszene ihren eigenen Terminus besitzt, fragen Sie Frau Mehler, sie
erklärt Ihnen dieses Muster.
Der große Quilt daneben, speziell für diese Ausstellung geschaffen, ist
dagegen völlig frei von Musterbindungen und auch ein Beweis, dass
Stoffreste bei Ursula Mehler immer noch eine große Rolle spielen; sie
erklärte mir, dass jeder der Schneidern kann, erkennt, dass die beiden
braunen Teile Reste sind, die bei der Ärmel- und Revers-Herstellung
entstanden sind. Erkennen Sie das ?
Als Themenquilt sei Ihre Aufmerksamkeit auf die Ecke links gelenkt, Kain
ist der Dargestellte, erschrocken nach der Tat und sich schützend, fast
könnte man sagen, er hüllt sich in den Quilt. Die dabei eingesetzten
Werkstoffe sind vielfältig, die starke Farbigkeit unterstützt das Thema
ideal.
Neu sind bei ihr auch die transparenten Arbeiten, die Sie in der Nische
im Eingangsbereich oder vor den Fenstern sehen können. Hierbei tut sich
u.U. eine neue Werkgruppe auf, deren Entwicklung noch am Anfang steht.
Ob nun Florales wie im Nebenraum, oder Geometrisches hier, auch ich bin
immer wieder überrascht in welchen Wechselschritten Ursula Mehler
arbeitet. Möge ihre Schaffenskraft, oder soll ich besser sagen
Schaffenswut, erhalten bleiben.
Sprechen Sie Ursula Mehler an, sie sprudelt und erzählt Ihnen alles und
vielleicht noch viel mehr als Sie wissen möchten.
------------------------------
Um nun aber, meine Damen und Herren
noch einmal auf Hephaistos zurück und damit zum Schluss zu kommen, bitte
ich Sie, sich zu daran erinnern, dass der Gott der Schmiede mit
Aphrodite belohnt wurde. Mit Göttlichem können uns Künstler nicht
belohnen, aber mit der Gewissheit, dass die Leere der Welt durch ihre
Arbeiten erträglicher, ja einfach schöner wird.
"Nur der Raum, der definiert wird, befreit uns von der Leere, die, wäre
sie allein existent, uns zum Wahnsinn treiben würde".
Ich wünsche Ihnen ein gutes Raumgefühl, ein gutes Farb- und
Materialgefühl sowie eine gebildete Zunge für die bereitstehenden
Getränke und die Überlegenheit, in diesem dichten Gedränge, das hier
Gesagte umzusetzen. Vielen Dank.
Walter Treiber
|